Lohnende Ausgrabung
SWR2 | 23 mayo 2016
In der zweistimmigen Kantate „Crudo amor“, die der CD den Titel gab, geht es um Leben und Tod, und es ist nicht zu überhören: Da möchte jemand sterben, und zwar in Schönheit, oder zumindest in kunstvoller Zweistimmigkeit: „Grausamer Amor, ich fühle, dass ich sterbe – entweder löscht Du das Feuer meiner Qualen, oder Du bringst mir den Tod.“
Was aber leider auch nicht zu überhören ist, bedauerlicherweise: Die beiden Stimmen, die einander da in kanonischen Terzgängen umgarnen, sind ziemlich ungleiche Gesellen. Die Sopranistin Eugenia Boix hat eine kleine, zarte, hübsche Barockopernstimme, gegen die weiter nichts einzuwenden ist, außer, dass sie ohne Stütze geführt wird und nicht im Fokus sitzt, weshalb sie, zumal in den schnellen Koloraturen, ungenau intoniert. Damit ist aber auch schon der einzige Schönheitsfehler dieses neuen Albums des Ensembles Forma Antiqua benannt.
Der Rest ist vorbildlich, um nicht zu sagen, herausragend. Zunächst: das seltene Repertoire. Sechs zauberhafte Kammerduette des Agostino Steffani kann man hier kennenlernen, der damit eine neue, galante Gattung schuf, die Schule machte – sogar Georg Friedrich Händel hat sich solche Kammerduette bei Steffani abgekupfert. Zweitens: Das Barockensemble aus Theorbe, Gitarre, Cello, Harfe und Cembalo spielt und swingt ganz vortrefflich. Es handelt sich um ein junges, spanisches Alte Musik-Ensemble namens Forma Antiqua, das offenbar in Familienbesitz ist, denn alle Musiker, bis auf die Cellistin, tragen genau den gleichen Nachnamen wie der Dirigent, Aarón Zapico. Drittens ist das Album vorbildlich bibliophil ausgestattet, in edlem Karton; und viertens, das Allerwichtigste: die zweite Stimme. Carlos Mena, Countertenor oder vielmehr Altus, intoniert sauber, er trägt mustergültig leuchtende Koloraturfarben auf. Und er führt seine volle und ausdrucksstarke Stimme sicher – in der Duett-Kantate „Occhi, Perché Piangete“ zum Beispiel kommt sie besonders eindrucksvoll zum Tragen. In dieser Kantate geht es um schöne Augen, die vor Tränen überfließen. Und überhaupt wird sehr viel geweint auf diesem Album, meist in so wundervoll fallenden Lamentosekunden und mit so süßen Durchgangsdissonanzen, dass man nicht genug davon kriegen kann.
Agostino Steffani, den ein abenteuerliches Diplomatenleben quer durch Europa geführt hatte und der mehr als 17 komplette Opern hinterließ, wie am Schnürchen, den muss man heute nicht mehr wortreich vorstellen, glaube ich. Seit die Sängerin Cecilia Bartoli gemeinsam mit der Schriftstellerin Donna Léon für diesen vergessenen Komponisten des Seicento die Reklametrommel gerührt hat, ist er ja nicht mehr vergessen. Ganz im Gegenteil: Das Wiederentdecken Steffanis ist geradezu selbst zur einer Mode geworden. Alle drei Monate gibt es eine neue Steffani-Ausgrabung, die sich immer wieder lohnt. Diese hier auch. Übrigens: Zwischen die sechs Duett-Kantaten Steffanis hat das Ensemble Forma Antiqua pfiffigerweise noch ein paar Instrumentalstücke von noch viel vergesseneren, noch viel unbekannteren Komponisten eingestreut – etwa die Passacaglia von einem gewissen Johann Caspar Ferdinand Fischer.
Eleonore Büning
Enlace
http://www.swr.de/swr2/musik/cd-tipps/crudo-amor-arien-und-duette-von-agostino-steffani-u/-/id=12628344/did=17478750/nid=12628344/1tbkzqx/index.html
Dúos de Agostino Steffani para soprano y contratenor
Eugenia Boix (soprano);
Carlos Mena (countertenor); Aarón Zapico (harpsichord, musical director);
Winter & Winter febrero 2016
18 euros OFERTA 15 eurosGastos de envío incluidos para España.
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